Baron von Tucher (Kaspar Hauser IV)

2017, Acryl auf Leinwand, 115 x 90 cm

BARON VON TUCHER

Gottlieb von Tucher ist ein Pflichtmensch mit festen Prinzipien, der unerschütterlich an seine Grundsätze glaubt. So ist es dann wohl auch eher die Pflicht, die ihn zwingt, Kaspar nach dessen Rauswurf aus dem Biberbachschen Haus bei sich aufzunehmen als Mitmenschlichkeit oder Herzenswärme. Mit überlegter Strenge unterwirft er Kaspar einem starren Stundenplan, der Kaspars Leben endlich ordnen und ihn Bescheidenheit und die wahren Werte lehren soll. Pflichtbewusst erfüllt Herr von Tucher alle Anforderungen, die ein ernstzunehmender Erziehungsberechtigter von sich selbst erwarten kann. Doch fehlen ihm Freude und Herz, das gemeinsame Mittagessen wird schweigsam zum bloßen Pflichttermin. „Das Prinzip verlangte von Herrn von Tucher, dass er eine würdevolle Unnahbarkeit bewahre; das Prinzip zwang ihn, auf die Freuden eines natürlichen Verkehrs zu verzichten.“ Wie zu befürchten war, kann Kaspar die hohen Erwartungen, die an ihn gestellt werden, nicht erfüllen, was Herr von Tucher als „Undank“ empfindet. „Ein Undankbarer, dachte er bitter, ein Undankbarer!“

Gottlieb von Tucher, der aus einem sehr alten fränkischen Adelsgeschlecht stammt, sitzt, diszipliniert wie er ist, am Schreibtisch, überragt von einem überlebensgroßen Dürer-Portrait von zwei seiner Vorfahren, das hinter ihm an der Wand hängt. Er sitzt sehr aufrecht, der Blick ist kühl, konzentriert, seine Selbstbeherrschtheit ist nicht zu brechen, der Anzug sitzt tadellos, seine Hände sind weiß mit schlanken Fingern und sauberen formschönen Nägeln, die noch nie mit Erde oder gar Dreck in Berührung gekommen sind. Diese sauberen, gepflegten Hände gefallen Kaspar, der Reinlichkeit generell sehr zu schätzen weiß, an Herrn von Tucher am besten.

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