2017, Acryl auf Leinwand, 115 x 90 cm
LEHRER MEYER
Um Kaspar Hauser nach dessen sonderbaren Unfall mit der Pistole noch näher bei sich zu haben und dem Nürnberger Dilettantentum endlich ein Ende zu bereiten („Die Nürnberger Schwabenstreiche sind zu Ende.“), übergibt Feuerbach Kaspar in die Obhut des Lehrers Meyer und seiner Frau nach Ansbach. Der Lehrer ist ein absolut biederer und kleinlicher Mensch, dem es größtes Vergnügen bereitet (was er sich allerdings nicht anmerken lässt!), Kaspar – unterstützt von seiner aufs eifrigste petzenden Frau – genüsslich auf jede seiner zahllosen „Unzulänglichkeiten“ hinzuweisen. Hierzu zählen beispielsweise Kaspars Angewohnheit, die Kerze nachts herunterbrennen zu lassen, anstelle sie pünktlich zu löschen, seine Latein-Übungen auf äußerst bescheidenem Niveau abzuliefern oder einen zu gute Appetit zu haben (und damit den Lehrer zu viele Kosten zu verursachen). Endlich ertappt der engherzige Moralist („die mir eigentümliche Wahrheitsliebe“) Kaspar wiederholt beim Lügen und schwärzt ihn diesbezüglich beim Präsidenten an – was für ein Fest für Missgunst und Hass in Meyers Brust! Eine „Hartherzigkeit in der Hauserschen Sache“ werfen Zeitgenossen dem Lehrer vor.
Der Lehrer, „mittelgroß und hager mit hoher Stirn und tabaksgelben, zurückgekämmten Haaren“ sitzt „mit säuerlichem Zug um den Mund“ unentspannt auf einem Gartenstuhl. Das weiße Hemd ist von seiner tadellosen Frau ordentlich gebügelt, die beige Hose wirft Falten an den richtigen Stellen. Sein Blick ist wässrig, aber dennoch erbarmungslos und irgendwie böse. Auf dem Gartentisch, von der braven Frau Meyer mit einem weißen Tischtuch aufgewertet, steht eine Kaffeetasse aus weißem Porzellan mit dezentem Blumenmuster. Hellblaue Stiefmütterchen lassen ihre spießigen Köpfe schon ein bisschen über den Rand eines nichtssagenden Blumentopfes hängen. Stiefmütterlich ist auch Meyers Verhalten Kaspar gegenüber. Ein hochgradig unsympathischer Mensch.